Dienstag, Januar 10, 2006

Artikel aus der Zeitung "Bulgaria Goes West": Interkulturelles Lernen




Bulgaria Goes West

Deutsch-Bulgarische Zeitungswerkstatt in Berlin und Heppenheim (21 - 29. Okt. 2005)

Interkulturelles Lernen


Interkulturelles Lernen ist unverzichtbar. Es ist - in aller Kürze gesagt - notwendig, um sich Kompetenzen anzueignen, mit fremden Menschen, mit Dingen, die einem nicht vertraut sind, umzugehen. In der heutigen Welt ist man mehr denn je gezwungen, sich mit anderen Lebensweisen und anderen Kulturen auseinander zusetzen. Ein Denken in homogenen Weltbildern, dass das Andere negiert, ist wirklichkeitsfremd oder führt - im schlimmeren Fall - zu fremdenfeindlichen und rassistischen Einstellungen.

Das haben auch die Teilnehmer des Seminars „ Bulgaria go West“ verstanden, als sie Gäste von dem fremden Land Albatros bekamen. Ein strenger Mann und eine freundliche Frau haben das abgedunkelte Zimmer betreten und er begann nur die Männer zu begrüßen. Sie umarmte in Stille die Frauen und danach sollten alle weiblichen barfuss auf dem Boden sitzen, obwohl die Männer auf den Stühlen blieben. Irritierend war für alle der nächste Augenblick, als die Albatros Frau auf dem Boden sitzend geblieben war und der Mann gemütlich auf dem Stuhl prahlte und dabei ihr Kopf zum Boden drückte, bis sie den Boden berührte. Danach fütterte sie ihn kniend mit Nahrung und Wasser.

Nach dem Abschied mit den beiden wurde der Spielraum hell gemacht und die Anwesenden schilderten ihre Gefühle. Alle meinten, dass sich die Frau in eine niedrige Position befand und vom Mann unterdrückt wurde. Er sollte vielleicht für die Verteidigung der Familie und den Krieg verantwortlich sein und sie - für die Nahrungsvorbereitung und das Wasser holen. Die Jungen wollten in einer solchen Gesellschaft leben, weil sie diese Kultur als patriarchalisch empfanden, die durch die Unterordnung der Frau unter den Mann bestimmt ist.

Die große Überraschung kam, als alle die göttliche Rolle der Erde für Albatros verstanden und dass die Frau als Vermittlerin des Göttlichen für die Albatrosbewohner betrachtet und näher der Natur stehend empfunden wurde. Ihr war es deshalb im Gegensatz zum Mann erlaubt, sich auf dem Boden (= Mutter Erde) zu setzen , während dem Mann die unmittelbare Berührung mit der Erde verboten war. Ebenso verhielt es sich mit den Früchten der geheiligten Erde. Während es der Frau erlaubt war, Speise in die Hand zu nehmen, war dies dem Mann untersagt, weshalb er darauf angewiesen war, von der Frau gefüttert zu werden. Die einzige Aufgabe , die dem Mann im Religiösen zukommt, war die jenige, die Frau von Zeit zu Zeit daran zu erinnern, dass sie den Kontakt zur göttlichen Erde halten muss.Nach der emotionalen Wertung folgte eine rationale Reflexion. Es wurde den Teilnehmern klar, warum die Kultur der Albatrosianer falsch interpretiert wurde. Unsere Vorurteilen und Emotionen spielten eine große Rolle bei dieser Begegnung mit dem Fremden. In der Auseinandersetzung zwischen Fremdem und Vertrautem war der Perspektivwechsel, der die eigene Wahrnehmung erweitert und den Blickwinkel der anderen einzunehmen versucht, ein Schlüssel zu Selbstvertrauen und reflektierter Fremdwahrnehmung.

Die 20. und 21. Jahrhunderte sind von einer zunehmenden Internationalisierung geprägt; ökonomische und ökologische, politische und soziale Entwicklungen vollziehen sich in hohem Maße in weltweiten Bezügen. Lösungen für Schlüsselprobleme erscheinen nur noch durch ein interkulturelles Lernen und Leben möglich.

Vesela Hristova


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