Mittwoch, November 22, 2006

Studieren in Bulgarien (Daad)




Bulgarien
Studieren im Urlaubsland

Das Land am Schwarzen Meer war 2005 das Traumziel von sechshunderttausend deutschen Touristen, im Strandkorb oder auf der Skipiste. Indes ist die Hochschullandschaft mit mehr als 40 staatlichen und internationalen privaten Universitäten noch immer ein blinder Fleck in den Köpfen fast aller Akademiker in Deutschland.
Die Deutsch-Bulgarischen Hochschultage am 20. und 21. Oktober rückten das Studienangebot im Partnerland ins Licht.

© DAAD

Nicht Westeuropa, nicht Nordamerika, für Ansgar Schmitz von der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg ist Bulgarien, die Wirtschaftsuniversität Varna, die Wahlheimat in seinem obligatorischem Auslandssemester. „Ich lerne hier in einer kleinen Gruppe von 20 internationalen Studierenden. Die Professoren unterrichten auf Englisch, viele haben selber im Ausland einen PhD gemacht.“ Ansgar ist nicht zufällig gekommen. Er hatte sich bei Mitstudenten informiert, die vor ihm in Varna gewesen waren. „Wir kooperieren mit der Partnerhochschule seit sechs Jahren“, erläutert der Bonner Professor Reiner Clement. „Die Mutter der Zusammenarbeit ist unsere Studienberaterin Albena Neschen, eine gebürtige Bulgarin.“ Sie kam als Germanistik-Studentin nach Köln, promovierte hier und blieb privat im Rheinland hängen.

Bulgaren schätzen den Hochschulstandort Deutschland – gegenwärtig studieren 12.400 zwischen Rhein und Oder. Sie bilden unter den Auslandsstudierenden das drittgrößte nationale Kontingent nach Chinesen und Russen. Es gibt insgesamt mehr als 100 Kooperationsverträge zwischen Hochschulen beider Länder. Gleichwohl zieht es nach Sofia, Varna oder anderswohin bislang höchstens ein paar Hundert deutsche Studierende. Der DAAD förderte 2005 knapp 200 Stipendiaten (allerdings nicht nur Studierende) aus dem eigenen Land und fast vier mal so viele bulgarische. Das entspricht in etwa dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.

DAAD bietet viele Wege nach Bulgarien
Der DAAD bietet deutschen Bewerbern im Prinzip viele Wege nach Bulgarien: über Jahres- oder Kurzstipendien, Fach- oder Sprachkurse im Sommer, über die Förderinitiative „Go east – Studium, Forschung und Praktikum in Osteuropa“, im Rahmen des Erasmus-Programms der Europäischen Union – womit nur die wichtigsten Instrumente genannt sind.

Die fremde Sprache mag als Hemmschuh für die Bildungsreise nach Südosteuropa erscheinen. Tatsächlich gibt es in Deutschland heute keinen Lehrstuhl für Bulgaristik. Eine Ausnahme ist das Bulgaricum an der Universität des Saarlandes. Aber wie sich am Beispiel Varna zeigt, gibt es in Bulgarien auch passende Studienangebote in der Allerweltssprache Englisch. Auf den Berliner Hochschultagen stellten sich zudem die „American University in Bulgaria“ und die „New Bulgarian University“ vor – mit Studiengebühren, wie sie so preisgünstig an gleichwertigen Hochschulen in der angelsächsischen Welt kaum zu finden sind.

Exzellenzuni unterstützt Deutschsprachige Fakultät
Die Sofioter Universität für Chemische Verfahrenstechnik und Metallurgie bietet mit Unterstützung des DAAD den deutschsprachigen Studiengang Chemieingenieurwesen. Es ist sogar ein Doppeldiplom mit der Uni Magdeburg möglich. Seit 1990 fördert der DAAD zudem an der Technischen Universität Sofia eine ganze deutschsprachige Fakultät für Maschinenbau, Informatik und Betriebswirtschaft (FDIBA). Deutsche Partnerhochschulen sind die Technischen Universitäten Braunschweig und Karlsruhe, diese neuerdings eine von den großen Drei im „Exzellenzwettbewerb“ der deutschen Universitäten. Eine Schlüsselfigur im Miteinander ist die Karlsruher Professorin Jivka Ovtcharova, geboren im bulgarischen Dimitrovgrad, Dipl-Ing. (Moskau), Dr. rer. nat. der TU Sofia, Dr.-Ing. der TU Darmstadt. Pro Jahr kommen rund 30 deutsche Gastdozenten an die TU in der bulgarischen Hauptstadt. Auch hier sind binationale Diplome möglich – ein Bewerbungsvorteil im internationalen Arbeitsmarkt: 2007 wird Bulgarien Mitglied in der EU.

Das deutschsprachige Studium im Partnerland ist nachfragegetrieben – bislang hauptsächlich von Bulgaren. Das gilt beispielsweise auch für das vom DAAD geförderte ZEDES-Germanicum an der St. Kliment-Ohridski-Universität Sofia mit seinem Master-Programm „Deutschlandstudien“. Partnerhochschule ist die TU Dresden. Ein zweisprachiges Master-Programm für Europastudien bietet das „Bulgarisch-Rumänische interuniversitäre Europazentrum“ in Rousse an der Donau, in der Heimatregion des deutschsprachigen Literatur-Nobelpreisträgers Elias Canetti (1981). Das dritte von vier Semestern absolvieren die Europa-Studierenden wahlweise an der Viadrina in Frankfurt / Oder, der TU Chemnitz oder der Uni Bonn. Der Studiengang hat inzwischen auch das Qualitätssiegel des deutschen Akkreditierungsrates.

50 deutsche Gymnasien
Die intensiven bulgarisch-deutschen Beziehungen erklären sich aus einer langen Geschichte. Nicht zuletzt rund fünfzig deutsche Gymnasien sind heute lebendige Zeugen für die damit verbundene Bildungstradition. „Deutsch – das war für mich als Kind die Sprache, in der mein Onkel wunderbare Geschichten vorlas“, sagt Radoslav Enchev, Jahrgang 1984. Heute studiert Enchev als DAAD-Stipendiat molekulare Biotechnologie an der „deutschen“ Universität schlechthin, in Heidelberg.

Autor: Hermann Horstkotte
Veröffentlichungsdatum: 30.10.2006